thomas ballhausen

AUßERHALB DER NEUTRALEN ZONE

 

I’m just an animal looking for a home and

share the same space for a minute or two

 

Talking Heads: This Must Be the Place

 

recto

Mir ist, als träume ich von einem Raum, herausgelöst aus einem verlorenen, mir sehr vertrauten Ort. Von all seiner Weitläufigkeit ist nur ein Gang geblieben, der zitternd in der Zeit steht, bevor er demnächst wie geplant in sich zusammenfallen wird. Die Wände und die Decke sind fast vollständig mit Fundstücken, Hinweisen und Bildern überzogen, einer wuchernden, aufgeschichteten Sammlung, die mich auffordert, ein vorschnell gegebenes Versprechen der Nacherzählung einzuhalten. In diesem installierten Buch bin ich wie ausgesetzt, setze vorsichtig meine Schritte, lasse den Blick wie ein Schiffbrüchiger über die Papiere und Objekte gleiten. Auf dem Boden schmiegt sich zusätzlich Ausgelegtes an die niedrigen Wände, macht es mir gelegentlich schwer, mein Gleichgewicht zu halten. Eine Archäologie der ständig vergehenden Gegenwart, dieser sich unaufhörlich bewegende Wellenkamm in der Chronologie der Dinge, gewinnt in der Zusammenstellung etwas wie eine eigene, befremdliche und bedrohliche Gestalt. Was hier an vermeintlichem Schwemmgut zueinander in Beziehung gesetzt wird, deutet auf zweierlei Arten von Zukunft hin, einerseits auf das Vorhersagbare, das kalkuliert werden kann, andererseits auf das Unerwartete, das trotz aller anders lautenden Rechenergebnisse eintreten wird. Ich fühle mich beobachtet, während ich vorsichtig über knittrige Erinnerungen und vergebliche Faltungen streife, das im Kleinen eingelagerte Große ertaste. Das Nachvollziehen und Bewahren der Verbindungen, intendierter wie auch erfundener, soll mein geheimer Dienst an dieser Sammlung sein. Mir ist, als träume ich vom Schauen auf ein Zuhause, das ich nicht haben werde, von geöffneten Seiten und Beinen, von den Anhängern eines Bettelarmbands.

 

verso 

Was an Ländereien des Begehrens und der Sehnsucht nebeneinander zu liegen kommt und sich immer wieder zu wandeln scheint, lässt sich als Atlas beschreiben. Den Begegnungen geht in diesem Spiel ein Verpassen voraus, auf das man sich einlassen muss, eben weil wann immer Götter und Menschen miteinander in Berührung kommen, es für letztere stets weit schlechter ausgeht. Da ist ein Harnisch, der eigentlich nicht abgelegt werden darf, Verletzungen würden sonst sichtbar werden. Das Unverheilte, stets neu aufgebrochen, tritt hervor: Clothing is your first line of defense.  Die Blessuren und Effekte haben ein Gegenstück in der umliegenden Sammlung der Objekte. Verstreut findet sich das Unerschlossene gestapelt, erstreckt bis zum nächsten, unbetretenen Zimmer. Einblicke eilen freundlich voraus, das Körper gewordene Werk steht in der Dunkelheit einen Spaltbreit offen. Du fragst nach den Vorzügen der Genauigkeit, nach den Eigenschaften einer Schicksalsgöttin, die über Glück und Unglück gebietet, aber auch über das Vermögen und die sich bietenden Gelegenheiten. Fortuna ist, was sich der Kontrolle und Planbarkeit entzieht, sich erst lautstark, dann schweigsam gibt. Du kannst nicht einfach auf der Seite liegen, die wechselnden Landschaften geben dem Atlas seine temporäre Form. Auf dieser dunklen Unterlage aufgespannt, bleiben die Belege in Bewegung, werden angeordnet. Immer wieder neue, vorerst undenkbare Konstellationen aus den Depots lassen Einblicke zu, werden verzeichnet, vergehen und werden neu gesetzt.